Roman
Erste Buchausgabe 1933
Gelesene Ausgabe: Droste Verlag
256 Seiten
Auflage 1966
Rezension vom Dezember 2023
Eines Abends hecken bei einer Feuerzangenbowle die schon in die Jahre gekommenen Herren Justizrat Fleisch, der alte Etzel, Geheimrat Fröbel und drei andere, während sie die Streiche aus ihrer Schulzeit Revue passieren lassen, einen Plan aus, der es in sich haben soll. Dr. Hans Pfeiffer, der jüngste in der geselligen Männerrunde, erst vierundzwanzig, aber schon erfolgreicher Schriftsteller, soll noch einmal auf die Schulbank zurück. Da sein Vater ihn zuhause im Privatunterricht auf das Abitur vorbereiten liess, hat Pfeiffer den von Schabernack und Streichen geprägten Schulallltag nie miterlebt, und dieser Genuss soll ihm nun nicht länger vorenthalten bleiben.
So verjüngt er sich wieder, zumindest äusserlich, reist nach Babenberg (in der Originalfassung von 1933 Odernitz), kommt in einem Gästezimmer im Hause von Frau Windscheid unter, die mütterlich für ihn sorgt, und hat schon bald Anschluss in der Klasse gefunden, die Klasse der Oberprimaner des Babenberger Gymnasiums, die es bunt mit ihren Lehrern treibt. Ein Streich folgt dem nächsten, und da Pfeiffer (mit drei Äff, wie er Professor Crey erklärt - eins vor dem ei und zwei hinter dem ei) seinen Mitschülern in Erfahrung und Reife voraus ist, dies aber geschickt zu verstecken weiss, übernimmt er schon bald das Zepter und hat die grösste Klappe unter den Pennälern, wie die Schüler damals genannt wurden.
Mit Dr. Brett, dem Mathematiklehrer, versteht Pfeiffer sich ausgezeichnet. Sie haben voreinander Achtung, sind gleichwertige Geister auf verschiedenen Ebenen, Pfeiffer der Schöngeist, Brett der Mathematiker. Brett durchschaut Pfeiffers Streiche von Anfang an, rät ihm nur, er solle besser aufpassen, sonst müsse er die Vorhänge zuzuziehen, wenn Pfeiffer mithilfe eines Sonnenspiegels für seine Mitschüler Resultate an die Tafel projiziert. Andere Lehrer unterrichten weniger aufmerksam. So wird dem Physiklehrer Bömmel während des Unterrichts ein Schuh versteckt. Keiner weiss, wie Bömmel eigentlich richtig heisst, auch nicht, wo der Schuh abgeblieben ist. Mit dem niederrheinischen Dialekt lässt der Autor den Bömmel auf sehr originelle Weise sprechen. "Da stelle mer uns janz dumm... Wenn ich de Saujung krieg, de mich de Schuh verstoche hat... Bah, wat habt ihr für ne fiese Charakter..."
Auch Professor Crey, genannt der Schnauz, der die Schüler in Chemie unterrichtet, erhält seine eine ihm eigene Ausdrucksweise. "Wär est das gewäsen ... Pfeiffer, Se werden emmer dömmer ... Sätzen se säch ... Se sänd albern ..." Mit Crey beginnt Pfeiffer sich mehr und mehr zu messen, mit Crey möchte die Frau Direktor ihre Tochter Eva irgendwann verheiratet sehen und versucht bei Sonntagsspaziergängen oder Kaffeekränzchen zu verkuppeln. An Eva verliert aber auch Hans Pfeiffer sein Herz, denn natürlich verliebt er sich in sie, und Marion, seine Verlobte zuhause in Berlin, ist bald vergessen. Als diese eines Tages in Babenberg auftaucht, um ihren Mann vor die Wahl zu stellen, bleibt Pfeiffer, mittlerweile eitel und faul geworden und in den vornehmsten Schülerkleidern steckend, in Babenberg zurück.
Als Pfeiffer eines Tages Strafarbeiten in Professor Creys Wohnung abgeben muss, denkt er nicht daran, dort zu erscheinen und wartet stattdessen, allerdings vergebens, fast eine Stunde lang auf seine angebetete Eva, die am verabredeten Ort nicht erscheint. So sucht Pfeiffer schliesslich doch den Professor auf, und damit dieser nicht bemerkt, dass Pfeiffer sich eine Stunde verspätet, stellt Pfeiffer unbemerkt alle Uhren in Creys Wohnung eine Stunde zurück. Das hat natürlich Folgen. Crey erscheint am nächsten Tag zu spät zum Unterricht. An jenem Morgen treibt Pfeiffer seine Streiche auf die Spitze, indem er sich in den Professor verkleidet und diesen in Sprache und Unterrichtsart imitiert. Unerwartet taucht am selben Morgen aber auch der kurzsichtige Herr Oberschulrat auf, um dem Unterricht Creys beizuwohnen. Pfeiffer muss sein Theater vor versammelter Lehrerschaft abhalten.
Wie ein Theaterstück liest sich das Ende des Buches, das daherkommt wie das Finale des letzten Aktes auf einer Theaterbühne. Das überrascht nicht, wenn man bedenkt, dass Spoerl damals auch Lustspiele, Schwanke in meheren Akten, Bühnenstücke oder auch Drehbücher geschrieben hat. Spoerl schildert in "Die Feuerzangenbowle" auch nicht aus der Perspektive seiner Hauptfigur Pfeiffer, sondern aus jener des allwissenden und vorausblickenden Fabulierers. "Es war klar, dass die Herrlichkeit über kurz oder lang ihr Ende finden musste. Und das kam so: Aus Gründen, die an späterer Stelle erläutert werden sollen, liess Hans Pfeiffers Lerneifer nach einiger Zeit nach." Spoerl wechselt auch immer dann, wenn er den Leser unmittelbar in das aktuelle Geschehen hineinziehen will, in die Zeitform der Präsenz, was die Erzählung lebhaft und erfahrbar macht. Zudem lassen die originellen Darstellungen der Lehrercharaktere das Buch zu einem echten Lesespass werden.
"Die Komödie ist ein Loblied auf die Schule", steht als Vorwort im Buch, "aber es ist möglich, dass die Schule es nicht merkt". Babenberg ist ein sympathisches kleines Städchen mit kopfsteingepflasterten Strassen, wo jeder jeden kennt, wo zum Gruss die Kopfbedeckung gezogen wird, und wenn man sich kurze Zeit später erneut begegnet, wieder den Hut zieht, weil man sich ja immer noch kennt. Doch Babenberg gibt es nicht. Auch das Gymnasium nicht. Selbst Pfeiffer hat sich selbst erfunden. Das ist das traurige Happy-End. Nur die Feuerzangenbowle am Anfang des Buches soll der Wahrheit entsprechen. Dreimal wurde die Geschichte verfilmt, das erste Mal 1934 unter dem Titel "So ein Flegel" mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle, das zweite Mal zehn Jahre später ebenfalls mit Heinz Rühmann, der gemeinsam mit Spoerl das Drehbuch verfasste, und ein drittes Mal 1970 mit Walter Giller als Hans Pfeiffer.