"Wollen Sie was von mich, Herr?" "Geben Sie mir", verlangte Unrat leichthin, "eine Eintrittskarte für das Sommertheater." "Wat sagen Sie?", fragte der Mann. "Nun ja, für das Sommertheater. Da Sie denn nun einmal in Ihrem Schaufenster anzeigen, dass Sie Billette zum Sommertheater verkaufen." "Wat soll ich doorvon denken, Herr", und der Mann behielt den Mund offen. "Das Sommertheater speelt doch nich in'n Winter." Unrat versteifte sich auf sein Recht. "Aber Sie haben es im Fenster, Mann." "Door kann 't jä ook bliewen!" (Seite 19)
Aber als Tyrann wusste er, wie man sich Sklaven erhält, wie der Pöbel, der Feind, die fünfzigtausend aufsässigen Schüler, die ihn bedrängten, zu bändigen waren. Lohmann schien in Beziehung zu stehen zur Künstlerin Fröhlich; Unrat errötete darüber, weil er nicht anders konnte. Aber zum Verbrecher ward der Schüler Lohmann erst dadurch, dass er sich bei verboteten Freuden der harten Zucht des Lehrers entzog. Nicht sittliche Einfalt zwang Unrat zum Zorn. (Seite 28)
Diese scheinbare Verbindung Lohmanns zur Künstlerin Fröhlich, die Lohmann in einem seiner Aufsätze erwähnt, lässt Unrat nicht mehr los. Er beschliesst, die Künstlerin zu finden. Des Abends irrt er durch dunkle Gassen, erntet überall Spott, eckt in einer Kneipe im Hafengebiet an, und glaubt, bei einem nächtlichen Besuch in des Schuhmachers Haus über den Aufenthalt der Künstlerin kundig zu werden. Diese Szene hat für mich schon fast kafkaeske Züge (obwohl Manns Werk ja vor Kafkas Zeit entstand), als Unrat sich lange nach Feierabend vom Schuhmacher bei Kerzenlicht ein paar Stiefel anmessen lässt und den Schuhmacher und seine Frau hierfür von der Einnahme ihrer Mettwurst abhält.
Unrat erkannte dies als Blödsinn und hielt es zusammen mit der stumpfen Antwort, die sein Nachbar ihm erteilt hatte. Es bildete sich in ihm Unmut: das Gefühl, verschlagen zu sein in eine Welt, die die Verneinung seiner selbst war, und ein Abscheu, der aus seinem Innersten kam, vor Menschen, die nichts Gedrucktes vor die Augen nahmen, die in einem Konzert sassen und nicht das Programm gelesen hatten! (Seite 34)
"Es ist mir - traun fürwahr - recht wohl bekannt, dass die sogenannte Sittlichkeit in den meisten Fällen auf das innigste mit Dummheit verknüpft ist. Hieran kann höchstens der nicht humanistisch Gebildete zweifeln. Immerhin ist die Sittlichkeit vom Vorteil für den, der, sie nicht besitzend, über die, welche ihrer nicht entraten können, leicht die Herrschaft erlangt. Es liesse sich sogar behaupten und nachweisen, dass von den Untertanenseelen die sogenannte Sittlichkeit strenge zu fordern sei. Diese Forderung hat mich indes - aufgemerkt nun also! - niemals dazu verleitet, zu erkennen, dass es andere Lebenskreise geben mag mit Sittengeboten, die von denen des gemeinen Philisters sich wesentlich unterscheiden." (...) "Von dir dagegen habe ich, ich kann nicht umhin, dies festzustellen, zu keiner Zeit einen dem meinigen verwandten Lebenswandel erwartet." (Seite 114)
Traun für wahr - immer mal wieder... (auf vielen Seiten)