Mit "Spätholz" wende ich mich wieder einem Buch zu, das damals zu meiner Handelsschulzeit im Deutschunterricht behandelt worden war. Oder zu sein schien, denn ich kann mich nur noch an das Buchcover des 1981 im rororo-Verlags erschienenen Taschenbuchs erinnern, worauf der Autor spazierend mit einem Hund abegebildet ist, eingefasst von orange- und gelbfarbenen Balken. Die Geschichte selbst erschien mir jedoch weitgehendst unbekannt, lediglich Erinnerungsfetzen an Einzelheiten schwebten mir zu, weshalb ich nicht ausschliesse, dass ich das Buch in der Schule nicht fertiggelesen habe. Obwohl mir der Schluss wiederum nicht fremd vorkam.
Bei meinem Buchexemplar handelt es sich um eine gebundene Ausgabe mit einem originellen Umschlag aus Einschlagpapier. Es ist leicht gerillt und fühlt sich angenehm an. Mir fiel dieses Exemplar an einem Buchstand eines mir bekannten Antiquars in die Hände, als wir ein Dorffest in seinem Wohnort besuchten. Schon vorher hatte ich diese gebundene Ausgabe des Benziger Verlags einmal in einem Brocky gesichtet, doch leider in etwas abgegriffenem Zustand, weshalb ich es nicht kaufte. Umso mehr freue ich mich über diese Entdeckung, denn «Spätholz» ist ein wirklich guter Roman.
Auffallend ist Kauers häufige Anwendung der indirekten Rede. Wer diesen Erzählstil mag, kommt hier voll auf seine Kosten. Ich hatte das Experiment gemacht, mir bei diversen Textstellen vorzustellen, wie diese wohl in einem direkten Dialog klingen mögen, und festgestellt, dass die Figuren damit lebendiger werden und sich Szenenbilder auch lebensnaher und dramatischer gestalten lassen würden. Auch eine im Verhältnis angenehme Mischung zwischen indirekter und direkter Rede wäre denkbar, aber das scheint nicht die Art Walther Kauers zu sein, der seine Figuren mehr erzählend in das Geschehen einzubinden pflegt. Es gibt wohl Dialoge. Die sind aber rar, nicht zwischen Anführungs- und Schlusszeichen gesetzt, und als fortlaufender Text gestaltet. Dies war für mich anfänglich etwas gewöhnungsbedürftig, hat mich aber nicht gestört, da Kauers beschreibender Ton, obwohl ungeschmückt und immer auf den Punkt zielend, letztlich doch ein angenehm warmer ist.
Und er muss den Aufwand nicht gescheut haben, fundiert für seinen Tessiner Heimatroman zu recherchieren, denn er erzählt anschaulich, mit viel Verständnis und Fachwissen von Traditionen, Sitten, Bräuchen und aus dem harten Arbeitsleben der damals noch ohne Technik und Strom auskommenden einfachen Bauern in dem Tessiner Tal Terzone. Die von ihm beschriebene Gegend ist wohl erfunden, denn in Google lässt sich der Ort Terzone am Fuss des Monte Lema nicht finden, und mit dem Nachwort im Buch lässt der Autor dies auch durchblicken. So habe ich es zumindest aufgefasst. Und trotz der Liebe zum Detail verliert er die Gesamtschau nie aus den Augen und langweilt den Leser nicht mit langen Beschreibungen.