Rezension vom Oktober 2023
Roman
Erste Buchausgabe 1976
Gelesene Ausgabe: Benziger Verlag
2. Auflage 1976
255 Seiten
Kauers Erzählstil der indirekten Rede
Auffallend ist Kauers häufige Anwendung der indirekten Rede. Wer diesen Erzählstil mag, kommt hier auf seine Kosten. Diverse Textsequenzen hatte ich für mich gedanklich in direkte Dialoge umformuliert, um zu sehen, wie sich dadurch ihr Ausdruck verändert. Figuren und Szenenbilder lassen sich mithilfe von Dialogen oft lebendiger, lebensnaher, dramatischer gestalten. Eine angenehme Mischung zwischen indirekter und direkter Rede wäre zur Auflockerung des Textes ebenfalls denkbar. Das scheint aber nicht Walther Kauers Stilmittel zu sein, der seine Figuren vorwiegend erzählend in das Geschehen einzubinden pflegt. Wohl gibt es Dialoge. Sie sind aber rar, nicht zwischen Anführungs- und Schlusszeichen gesetzt, und als fortlaufender Text arrangiert. In diesen Erzählstil musste ich mich zuerst einlesen. Nichtsdestotrotz bleibt Kauers Tonfall, obwohl ungeschmückt und immer auf den Punkt zielend, ein angenehm warmer.
Ein Tessiner Heimatroman
'Spätholz' ist ein Tessiner Heimatroman. Kauer muss den Aufwand nicht gescheut haben, fundiert für dieses Werk zu recherchieren, denn er schildert anschaulich, mit viel Verständnis und Fachwissen über Traditionen, Sitten und Bräuche, über das harte Arbeitsleben der damals noch ohne Technik und Strom auskommenden einfachen Bauern in dem Tessiner Tal Terzone. Die von ihm beschriebene Gegend ist wohl erfunden, denn in Google lässt sich der Ort Terzone am Fuss des Monte Lema nicht finden, und mit dem Nachwort im Buch lässt der Autor dies auch durchblicken. Trotz der Liebe zur detailgetreuen Abbildung verliert er nie die Gesamtschau aus den Augen und langweilt den Leser nicht mit langen Beschreibungen.