Roman
Benziger Verlag, 255 Seiten
Ersterscheinung 1976
Auffallend ist Kauers häufige Anwendung der indirekten Rede. Wer diesen Erzählstil mag, kommt hier voll auf seine Kosten. Diverse Textsequenzen hatte ich gedanklich in direkte Dialoge umformuliert, um zu sehen, wie sich dadurch ihr Ausdruck verändert. Figuren und Szenenbilder lassen sich mithilfe von Dialogen oft lebendiger, lebensnaher, dramatischer gestalten. Eine angenehme Mischung zwischen indirekter und direkter Rede wäre zur Auflockerung des Textes ebenfalls denkbar. Das scheint aber nicht Walther Kauers Stilmittel zu sein, der seine Figuren vorwiegend erzählend in das Geschehen einzubinden pflegt. Wohl gibt es Dialoge. Sie sind aber rar, nicht zwischen Anführungs- und Schlusszeichen gesetzt, und als fortlaufender Text arrangiert. In diesen Erzählstil musste ich mich zuerst einlesen. Nichtsdestotrotz bleibt Kauers Tonfall, obwohl ungeschmückt und immer auf den Punkt zielend, ein angenehm warmer.
"Spätholz" ist ein Tessiner Heimatroman. Kauer muss den Aufwand nicht gescheut haben, fundiert für dieses Werk zu recherchieren, denn er erzählt anschaulich, mit viel Verständnis und Fachwissen über Traditionen, Sitten und Bräuche, über das harte Arbeitsleben der damals noch ohne Technik und Strom auskommenden einfachen Bauern in dem Tessiner Tal Terzone. Die von ihm beschriebene Gegend ist wohl erfunden, denn in Google lässt sich der Ort Terzone am Fuss des Monte Lema nicht finden, und mit dem Nachwort im Buch lässt der Autor dies auch durchblicken. Und trotz der Liebe zur detailgetreuen Abbildung verliert er nie die Gesamtschau aus den Augen und langweilt den Leser nicht mit langen Beschreibungen.